Hans von Schweinichen
Hans von Schweinichen
1.1. Name, Tätigkeiten und Positionen
Hans von Schweinichen
adlig; Kammerjunker, Marschall, Hofmeister und Rat des Hz.s v. Liegnitz; luth.; verh.
1.2. Geburts- und Todesjahr und -ort
* 25. 06. 1552 Liegnitz
+ 23. 08. 1616 Liegnitz
1.3. Herkunft, Lebensbeschreibung, Konfession
aus altadliger schlesischer Familie, den Herzögen von Liegnitz eng verbunden; Vater Georg, fstl. Liegnitzscher Hauptmann, Mutter Salome v. Gladis; erste Schulbildung beim Dorfschreiber des Familienstammgutes Mertschütz, 1562 als Page des abgesetzten und arrestierten Herzogs Friedrich III. und als Studiengefährte des jungen Herzogs Friedrich IV. nach Liegnitz; 1563 holte ihn der Vater zurück, dessen ständiger Begleiter er nun war, 1566 ein Jahr auf die Schule nach Goldberg; dabei diente er dem alten Herzog Friedrich III. als Page, begleitete den Vater auf Hof- und Dienstreisen, dann lange Jahre im Dienst Herzog Heinrichs XI. von Liegnitz, zunächst 1575 Kammerjunker, dann 1576 Rat und Hofmeister − dadurch für die Finanzen des (verschwenderischen) Herzogs verantwortlich, verschuldete er sich selbst und musste schließlich 1583 das Familienstammgut aufgeben, dann Pächter auf versch. Gütern; er löste sich aus den Amtspflichten und widmete sich mit bescheidenem Erfolg der Landwirtschaft, als 1581 der Herzog vom Kaiser festgesetzt wurde; 1581 Heirat mit Margarethe v. Schellendorf, in dieser Ehe 2 Töchter und 1 Sohn, die als Kleinkinder starben; nach dem Tod Heinrichs XI. 1588 war er für den Nachfolger Friedrich IV. erneut Rat und Hofmarschall bis zu dessen Tod 1596; danach blieb er als Rat dem herzoglichen Hof weiterhin bis zu seinem eigenen Tod verbunden; leitete den Hofhalt der Liegnitzer Herzöge von 1576-81 ununterbrochen, und zwar als „Hofmeister“, dann wieder in den Jahren 1589-91 und 1593-95 als „Marschall“, ohne dass aus seiner Darstellung Unterschiede der beiden Hofämter ersichtlich würden, wobei er den Marschall als ranghöher einstufte; verfasste eine Biographie Hz. Heinrichs XI. sowie ein „Merkbuch“ über die Einzelheiten der von ihm an Friedrichs IV. Liegnitzer Hof organisierten Hochzeiten und Beerdigungen; 17. 7. 1595 Rücktritt von seinem Marschallamt; auch nach dem Übergang des Hzm.s an die Brieger Piasten nach Friedrichs IV. Tod wurde er als fürstl. Rat mit den verschiedensten Kommissorien beauftragt; in dieser Zeit wurde er hauptsächlich durch fürstl. Geschenke und Güterhandel wohlhabend; 1601 Tod seiner ersten Frau, 1602 zweite Ehe mit Maria v. Kreischelwitz; keine überlebenden ehelichen Nachkommen; lutherisch; liegnitzische Herzöge: Friedrich III. 1547-59, Heinrich XI. 1559-81, Friedrich IV. 1581-96
1.4. Literatur zur Person
ADB 33 (1891) 360f. (Conrad Wutke); Schlesische Lebensbilder 4 (1931 ND 21985) 80-91 (Friedrich Andreae); Scriptores rerum Silesiacarum oder Sammlung schlesischer Geschichtsschreiber 4: Herzog Hans der Grausame von Sagan im Jahre 1488 und Hans Schweinichens Leben, Herzog Heinrichs XI. von Liegnitz. Hg. und mit Noten und Beilagen vers. v. Gustav Adolf Stenzel. Breslau 1850 [1. 1835-17. 1917]; Merkbuch des Hans von Schweinichen. Hg. v. Konrad Wutke. Berlin 1895; Kurt Treusch v. Buttlar, Das tägliche Leben an den deutschen Fürstenhöfen des 16. Jahrhunderts. In: Zs für Kulturgeschichte 4 (1897) 1-41; Zur Geschichte des Geschlechts derer von Schweinichen. Hg. v. Constantin von Schweinichen, Conrad Wutke, O. Schwarzer. 2 Bde. Breslau 1904-1906; Arthur Kern (Hg.), Deutsche Hofordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts. 2 Bde. (= Denkmäler der deutschen Kulturgeschichte, 2. Abteilung, Ordnungen). Berlin 1905 und 1907; Otto Hintze, Hof- und Landesverwaltung in der Mark Brandenburg unter Joachim II. In: ders., Historische und politische Aufsätze. Bd. 2. (= Deutsche Bücherei 96/97). Berlin [1909], 3-68; Jean-Jacques Brousson, Anatole France in Pantoffeln. Berlin 1925, 223; Hans Christoph Kaergel, Hans von Schweinichen. Jena 1937
2.1. Quelle: benutzte Edition, Länge (Druckseiten)
Lieben, Lust und Leben der Deutschen des sechzehnten Jahrhunderts, in den Begebenheiten des Schlesischen Ritters Hans von Schweinichen, von ihm selbst aufgesetzt. Hg. v. [Georg] Büsching. 3 Bde. Breslau 1820 und 1822 (Bd. 1 + 2), Leipzig 1823 (Bd. 3)
2.2. Beschreibung der Edition, Bemerkungen
vollst. Abdruck nach 2 Abschriften; keine Angaben zu Editionsprinzipien, keine Beschreibung der Hss. oder Datierung; Text vollständiger und weniger bearbeitet als Conrad ed. und alle weiteren Ausgaben (s.u. 2.4.); 3 Teile nach den Abschriften, die hier als dem Autograph folgend angenommen werden; textkrit. Anmerkungen; kein Seitenwechsel angezeigt, keine inhaltl. Erläuterungen; Angaben zum Ort von Rest-Autograph und Abschriften
2.3. Literatur zur Quelle bzw. Edition
Wenzel 1 (1980) 218-221 (Lit.); Lorna Susan Bloom, German Secular Autobiography. A Study of Vernacular Texts from circa 1450 to 1650, Ph. D. thesis Univ. of Toronto 1983, 226-240; Stephan Pastenaci, Erzählform und Persönlichkeitsdarstellung in deutschsprachigen Autobiographien des 16. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur historischen Psychologie. (= Literatur − Imagination − Realität 6). Trier 1993, 146-185; Heide Wunder, Überlegungen zur Konstruktion von Männlichkeit und männlicher Identität in Selbstzeugnissen der Frühen Neuzeit: Hans von Schweinichen (1552-1616) in seinem „Memorial“. In: Doris Ruhe (Hg.), Geschlechterdifferenz. Texte, Theorien, Positionen. Kolloquium des Interdisziplinären Zentrums für Frauen- und Geschlechterstudien an der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald. Würzburg 2000, 151-171
2.4. weitere Editionen; Auszüge, Übersetzungen
Hans von Schweinichen, Denkwürdigkeiten. Hg. v. Hermann Oesterley. Breslau 1878 [gekürzt]; Hans von Schweinichen, Ein Lebensbild aus dem 16. Jahrhundert. Begebenheiten des schlesischen Ritters Hans von Schweinichen, von ihm selbst aufgesetzt. Bearb. v. Hildegard Rabaa (= Abenteuerliche Lebensläufe 7). Heidenheim a. d. Brenz 1971 (stark gekürzt, Übers. in mod. Deutsch); Des Schlesischen Ritters Hans von Schweinichen eigene Lebensbeschreibung. Hg. v. Ernst v. Wolzogen. Leipzig 1885 (populär gehaltene Überarbeitung, bis zur Gefangensetzung Hz. Heinrichs XI. reichend); Die Thaten und Fahrten des Ritters Hans von Schweinichen. Hg. von Heinrich Conrad. 2 Bde. München/Leipzig 1910 (vollständiger als Hegaur, aber gekürzt, keine Angaben dazu; Berichtszeitraum bis 1602); Teilabdruck: Gustav Freytag (Hg.): Bilder aus der deutschen Vergangenheit. Bd. 2,2: Aus dem Jahrhundert der Reformation (1500-1600). Leipzig 171889, 230-232. 285-295 (nach Büsching ed. [s.o. 2.1.]); Engelbert Hegaur (Hg.), Memorial-Buch der Fahrten und Taten des schlesischen Ritters Hans von Schweinichen. Nach seiner eigenhändigen Aufzeichnung aufs neu an Tag geben. München o. J. [1911] (stark gekürzt, keine Angaben; Berichtszeitraum bis 1602); Hans von Schweinichen, Das abenteuerliche Leben des schlesischen Ritters Hans von Schweinichen. Nach seinem Memorialbuch neu hrsg. von Friedrich Grieger. Breslau 1944 [gekürzt]; Auszüge: [Alexander Heine (Hg.):] Max Goos (Hg.): Deutsches Bürgertum und deutscher Adel im 16. Jahrhundert. Lebens-Erinnerungen des Bürgermeisters Bartholomäus Sastrow und des Ritters Hans von Schweinichen. Teil 2 [neu paginiert]. (= Bibliothek wertvoller Memoiren 2). Hamburg 1907 (= ND Essen 1984) 21-151 (= ND: 179-211); Teilabdruck bei: Wenzel 1 (1980) 222-244
3.1. Abfassungszeit
wohl erste Aufzeichnungen ab 1568; dann jeweils die Jahreseinträge gleichzeitig − höchstens jeweils ein Jahr später (Wutke [s.o. 1.4.] 361)
3.2. Funktion und Zweck der Quelle
Festhalten des Lebens als Ergebnis von Gottes Handeln (nicht: sich selbst hochschätzen); „schreiben, was ehrbar, christlich und adelich sein möge.“ (Büsching ed. 3 [s.o. 2.1] 2); Rechenschaft für sich selbst, Lehre für Nachkommen
3.3. AdressatInnen
selbst; Erben und Nachkommen (sollen die Autobiographie nicht über ihren familiären Bereich hinaus weiter bekanntmachen)
3.4. Medium (hsl.; gedr.); Überlieferung; Ort der Hs.
hsl., Original und Abschriften (Conrad ed. [s.o. 2.4.] VIIf.)
4.1. Berichtszeitraum
1552-1602 (Wutke [s.o. 1.4.] 361 vermutet, HvSch habe seine Aufzeichnungen auch nach 1602 fortgesetzt, dto. Büsching ed. [s.o. 2.1.] 3, VII)
4.2. Form der Quelle
deutsche Prosa, Ich-Form; Jahresberichte, dann auch tägliche Notizen; Form des Tagebuchs; Beginn mit Glaubensbekenntnis, dann Aufzählung von 8 Wappenschilden als Adelsnachweis
4.3. Inhalt
alltägliches Leben am herzoglichen Hof − Borniertheit, Intrigen, Verschwendung und Rohheit; Familienereignisse (Krankheiten usw.), Ärger mit Verwandten, finanzielle Schwierigkeiten; höfischer Klatsch, Festschilderungen aus der Sicht des Bediensteten; Reisen mit Heinrich XI.; hzl. Aufträge