Beschlagnahme
Die Beschlagnahme der "Entarteten Kunst" 1937 und ihre Folgen
Ab 1933 wurden die Museumsdirektoren, die moderne Kunst gesammelt hatten, aus ihren Ämtern entlassen und durch andere ersetzt, die im günstigsten Fall die Sammlung in gemäßigter Form fortsetzten, meist aber die Moderne ins Depot verbannten und teilweise sogar die Ankäufe ihrer Vorgänger in „Schandausstellungen“ diffamierten.
Zahlreiche Werke wurden aus Überzeugung oder aus Vorsicht ins Depot verbannt, Dauerleihgaben und teilweise sogar Schenkungen wurden zurückgegeben, Figurenbilder durch weniger anstößige Landschaften und Stilleben ersetzt. Einige Museen begannen auch, moderne Kunstwerke zu verkaufen.
Die Dresdner „Schandausstellung“ von 1933, die bereits den Titel "Entartete Kunst" trug, wanderte ab 1934 durch Deutschland. In einigen anderen Propagandaausstellungen wurden einzelne Bilder aus Museen als Negativbeispiele für Kunst und Sammelpolitik in der Weimarer Republik gezeigt. Alle diese Exponate gingen später in den Bestand der beschlagnahmten "Entarteten Kunst" ein.
Bernhard Rust, der als Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung für die Museen zuständig war, kündigte in der Eröffnungsrede einer Akademieausstellung Ende 1936 eine „Säuberung“ der Museen an, wurde aber nicht aktiv.
Anfang 1937 erschien Wolfgang Willrichs Buch „Säuberung des Kunsttempels. Eine kunstpolitische Kampfschrift zur Gesundung deutscher Kunst im Geiste nordischer Art". Die Lektüre dieses Buches brachte den Minister für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels auf den Gedanken, eine zentrale Ausstellung "Entartete Kunst" zu organisieren. Damit beauftragte er den Präsidenten der Reichskammer der Bildenden Künste Adolf Ziegler. Dieser stellte eine Kommission zusammen, die in der ersten Julihälfte 1937 rund 1100 Kunstwerke aus 30 Museen auswählte und nach München beorderte, wo vom 19. Juli an etwa 600 davon in der Ausstellung "Entartete Kunst" angeprangert wurden. Von einer Beschlagnahme oder gar Einziehung war zunächst nicht die Rede.
Da Goebbels für diese Aktion einen Erlaß Hitlers vorlegte, konnte sich Rust nicht gegen den Übergriff in seinen Zuständigkeitsbereich wehren. Nun aber wollte er die eigentliche „Säuberung“ der Museen selbst in die Hand nehmen und lud deshalb die Museumsdirektoren für den 1. August zu einer Tagung nach Berlin. Dort gab er ihnen einen Erlaß Hermann Görings bekannt, nach dem sie die noch in ihren Sammlungen vorhandenen Werke der „Verfallskunst“ unter Abgabe von Photos zu melden hatten. Danach wollte Rust über das weitere Verfahren entscheiden. Da Göring für die Kultur nur in seiner Funktion als Preußischer Ministerpräsident zuständig war, galt der Erlaß nur für Preußen, sollte aber auch in den anderen Ländern sinngemäß durchgeführt werden. Zur Orientierung diente den Direktoren eine Liste der in der Ausstellung "Entartete Kunst" in München vertretenen Künstler, die in der Deutschen Allgemeinen Zeitung veröffentlicht worden war. Diese „Liste der Ausgestellten“ zählte jedoch von den 125 tatsächlich vertretenen Künstlern nur 66 auf. Rusts geplante Aktivitäten waren also relativ begrenzt – und schließlich blieb der Erlaß Görings, abgesehen von einigen eingesandten Listen und Photos, gänzlich folgenlos.
Denn Goebbels verfügte bereits über einen Erlaß Hitlers vom 27. Juli, mit dem Ziegler beauftragt wurde, „aus allen im Reichs-, Länder- und Kommunalbesitz befindlichen Museen, Galerien und Sammlungen noch vorhandene Produkte der Verfallszeit zu beschlagnahmen.“ Die von Ziegler zusammengestellten Kommissionen bereisten vom 6. August an rund 100 Museen und beschlagnahmten einschließlich des Münchner Ausstellungsguts über 20.000 Werke von mehr als 1400 Künstlern. Die meisten Museen wurden bis Mitte November aufgesucht. Danach gab es bis Anfang März 1938 eine gelegentliche Nachlese. Nur wenige moderne Kunstwerke blieben den Kommissionen verborgen. In Einzelfällen konnten Papierarbeiten trotz ihrer Beschlagnahme von den Museen zurückgehalten werden. Abgesehen von diesen Ausnahmen wurde das beschlagnahmte Gut nach Berlin transportiert und im Victoria-Speicher in der Köpenicker Straße eingelagert. Dort wurden die Werke von Rolf Hetsch inventarisiert. Anschließend fuhr er nach München und inventarisierte die Exponate der Ausstellung "Entartete Kunst".
Am 31. Mai 1938 verfügte das „Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“: „Die Erzeugnisse entarteter Kunst, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in Museen oder der Öffentlichkeit zugänglichen Sammlungen sichergestellt und von einer vom Führer und Reichskanzler bestimmten Stelle als Erzeugnisse entarteter Kunst festgestellt sind, können ohne Entschädigung zu Gunsten des Reiches eingezogen werden, soweit sie bei der Sicherstellung im Eigentum von Reichsangehörigen oder inländischen juristischen Personen standen.“ Damit war die Voraussetzung geschaffen, die beschlagnahmten Werke zu verkaufen. Im Juni 1938 zog Göring 13 herausragende Werke ab, um sie zu Gunsten seiner Sammlung alter Kunst zu veräußern. Im August wurden die Werke, die man ins Ausland verkaufen zu können hoffte, in das Schloß Schönhausen verlagert. Nachdem Kunsthändler noch einmal Kommissionsware aus dem Depot in der Köpenicker Straße übernommen hatten, wurde der dort verbliebene „unverwertbare Rest“ am 20. März 1939 auf dem Hof der Berliner Hauptfeuerwache verbrannt.
Zu Beginn der „Verwertungsaktion“ wurden einzelne Werke an die Kunsthändler Wolfgang Gurlitt und Karl Haberstock in Berlin, Fritz Carl Valentien in Stuttgart und Aage Vilstrup in Hellerup sowie an die Galerie Zak in Paris verkauft. Am 30. Juni 1939 veranstaltete die Galerie Theodor Fischer in Luzern die Auktion „Gemälde und Plastiken moderner Meister aus deutschen Museen“, auf der 125 Spitzenwerke angeboten wurden. In drei Tauschverträgen aus dem Jahr 1939 erhielt der damals in Rom lebende Maler Emanuel Fohn für 25 Werke deutschrömischer Maler etwa 450 Werke der "Entarteten Kunst". Die übrigen Kauf- und Tauschgeschäfte – auch die Verkäufe an das Kunstmuseum in Basel und die Abgabe der Munch-Bestände an den Auktionator Harald H. Halvorsen in Oslo – wurden ab Ende 1938 bis zum Abschluß der „Verwertungsaktion“ im Sommer 1941 ausschließlich über vier dazu ermächtigte Kunsthändler abgewickelt: Karl Buchholz und Ferdinand Möller in Berlin, Hildebrand Gurlitt in Hamburg und Bernhard A. Böhmer in Güstrow. Sie waren verpflichtet, die Werke ins Ausland zu verkaufen, gaben sie aber zum Teil auch innerhalb Deutschlands an Händler und Sammler ab oder behielten sie selbst. In jedem Fall mußten sie dafür Devisen aufbringen. Das war nur durch Tauschverträge ähnlich denen mit Fohn zu umgehen.
244 Werke, die von Ausländern stammten, Ausländern gehörten, Leihgaben aus Privatbesitz waren oder als Grenzfälle eingestuft wurden, sind von den Nationalsozialisten den Besitzern oder den Künstlern zurückgegeben worden. Einige der von der Beschlagnahme betroffenen Museen erhielten die eingetauschten Werke älterer Kunst überwiesen und zum Teil auch eine geringfügige finanzielle Entschädigung.
Die weder vernichteten noch zurückgegebenen oder verkauften Restbestände wurden 1941 im Keller des Propagandaministeriums aufbewahrt. Große Teile davon sind bei fortschreitendem Krieg zu Böhmer nach Güstrow ausgelagert worden. Ihr Verbleib ist nur in einigen Fällen nachweisbar. Über die Zerstörungen durch Kriegsereignisse oder den Nachkriegsvandalismus gibt es keine Aufzeichnungen.
Im privaten Bereich wurden zum Beispiel durch die Reichskammer der Bildenden Künste von einzelnen Künstlern Werke zur Begutachtung eingefordert und nicht wieder zurückerstattet. Auch Beschlagnahmen – zumeist durch die Gestapo – in Galerien, Auktionshäusern und Künstlerateliers sind überliefert. Dafür sind bisher jedoch nur vereinzelt konkrete Belege bekannt. Diese Fälle sind nicht Bestandteil der Datenbank.